Electric Bastionland

“Electric Bastionland”, die Weiterentwicklung von “Into the Odd“, stammt wie jenes von Chris McDowall und ist nicht wirklich ein anderes System, sondern eher eine “gereiftere” Version des Originals – und eine dickere. Während “Into the Odd” mit knapp 20 Seiten Regelwerk auskommt, ist “Electric Bastionland” umfangreicher und wächst auf dem Weg zu Version 2.0 immer noch weiter – allerdings ist der Kern weiter kurz, übersichtlich und in einer Viertelstunde zu erlernen. Drei Attribute, 1d6 Hit Points, “Auto-Hits”, alles gleich.

Neuerungen gegenüber Into the Odd

Trotzdem: Ein paar Dinge haben sich auch geändert. Es gibt (wenig) Startgeld, und das wirkt sich in der Charaktererschaffung aus. Willenskraft wurde ersetzt durch Charisma. Die Motivation “Schatzsuche” wird drängender, denn nun hat man auch von Anfang an drückende Schulden, und in Version 2.0 auch aktiv drängelnde Gläubiger. “Detachments”, also quasi Armeeeinheiten, bisher unverletzbar durch einzelne Gegner, können nun angegriffen werden, aber nur mit einem d4. Wenn sechs gegen einen kämpfen, werden nicht mehr alle sechs Angriffe gewertet (was der sichere Tod wäre), sondern nur der, der den höchsten Schaden macht. Etc.

Ich bin nicht mit allen Änderungen ganz einverstanden und damit auch nicht allein. Die Diskussion ist offen, insbesondere bei der Frage der Mehrfachangriffe, aber wie bei allen OSR-Systemen gilt natürlich explizit der Grundsatz: Ändere, was dir nicht passt.

100 Charaktere mal 36

Was wächst, ist einerseits die Charaktererschaffung: An die Stelle der Tabelle von “Into the Odd” sind in der ersten Fassung von “Electric Bastionland” 20 Quasi-Berufsbilder getreten, in Version 2.0 werden es 100 Charakterhintergründe sein, die erwürfelt werden und mit kleinen Tabellen weiter ausgestaltet werden können, um wirklich jedem Spielercharakter ein anderes Set an Equipment und Erfahrungen zu “sichern”.

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Andererseits sind spezielle Themen eingearbeitet. Wie führt man eine Firma im Detail? Wie funktioniert die Führung einer großen Expedition mit 200 Teilnehmern in unbekannte Länder? Was können Nichtmenschen (“Astrals”), und, die wertvollsten Ergänzung: Spieltipps.

Spielphilosophie und Anwendbarkeit

Der Blog Bastionland bespricht laufend spannende Themen für Spielleiter und Spieler, und die aus diesen Gedankenflüssen gewonnenen Erkenntnisse tauchen in geraffter Form – meistens als 1., 2., 3. – auch im neuen Regelwerk auf.

Als Beispiel die Tipps zu “Treasure”:

At the most basic level, take something the players want (Treasure) and put it somewhere dangerous, but interesting.

Finding Treasure is the heart of the game.

The Key principles of Treasure are:

  • Its value exceeds its usefulness
  • There’s a reason it hasn’t been claimed already
  • It doesn’t need to be complex, but it can provoke thought

The easiest way to hit all three of these principles is to make the Treasure something big, heavy, useless, and valuable.

Dieser Absatz ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die Genialität des Systems. Er bricht das Wort Treasure auf das Wesentlichste herunter und regt zum Nachdenken an. Alleine die Beschreibung “Its value exceeds its usefulness” öffnet dem Leser die Augen und bietet eine neue Perspektive auf Schätze. Es ist absolut wahr, aber wer von uns hat es schon je in dieser Klarheit so betrachtet?

Gleichzeitig bietet es eine konkrete Handlungsanleitung für Spielleiter.

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Das ganze Regelwerk ist voll von solchen Fundstücken – philosophischen Einsätzen, die das Verständnis für Rollenspiele an und für sich erweitern, die Arbeit von Spielleitern aufwerten helfen und auch konkret anwendbar sind, um die eigene Spielrunde zu bereichern, selbst wenn diese ein anderes System benutzt.

Klingt übertrieben lobhudelnd? Ist es nicht!
Wie “Into the Odd” ist auch “Electric Bastionland” wert, gelesen und gespielt zu werden.

 

 

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